Das menschliche Auge ist ein sehr komplexes System. Im gesunden Zustand sind die Eigenschaften des Auges erstaunlich.
Farbsehen
Die Fähigkeit des menschlichen Auges Farben wahrzunehmen ist ein wichtiger Teilbereich des Sehens und eine der interessantesten Eigenschaften des Auges. Dabei wird das einfallende Licht, in Abhängigkeit seiner Wellenlänge, unterschiedlich wahrgenommen.
Durch den Einfall von Photonen (Lichtquanten) entsteht in den Photorezeptorzellen der Netzhaut eine Verformung des Sehpigmentes, welche in einer Veränderung des Rezeptorpotenziales mündet. Die elektrischen Signale werden nachfolgend, über die an der Retina beginnenden Sehbahn, an das Gehirn weitergeleitet und schließlich zu einem Sinneseindruck verarbeitet.
Zwei verschiedene Systeme von Sinneszellen können am menschlichen Auge unterschieden werden: die Zapfen und die Stäbchen.
Dabei sind die Zapfen an der Farbwahrnehmung beteiligt. Hinsichtlich der spezifischen spektralen Empfindlichkeit können nochmals L-, M- und S-Zapfen unterschieden werden.
S-Zapfen (Short) besitzen ein Absorptionsmaximum bei kurzen Wellenlängen von etwa 420nm, welches einem Blauton entspricht. Sie machen den geringsten Anteil der vorkommenden Zapfentypen aus.
M-Zapfen (Medium) zeigen hingegen eine höhere Empfindlichkeit bei mittleren Wellenlängen (530nm), einem Gelbgrün.
Das Absorptionsmaximum der L-Zapfen (Long) liegt mit 560nm im Bereich der längeren Wellenlängen und entspricht einem grünlichen Gelb.
Damit das menschliche Auge unterschiedliche Farbzusammensetzungen des Lichtes erkennen kann, müssen im Gehirn Reizpotentiale mindestens zwei verschiedener Zapfenarten verglichen werden. Da insbesondere im grünen Farbbereich eine ausgesprochen hohe Sensorik zu finden ist, ist es dem Menschen möglich zwischen einer Vielzahl verschiedener Grüntönen zu differenzieren.
Sehschärfe
Zu den weiteren Eigenschaften des Auges gehört die Sehschärfe. Die Sehschärfe oder auch Visus beschreibt die Fähigkeit des Auges Muster oder Konturen als solche wahrzunehmen und kann mit Hilfe eines Sehtests bestimmt werden.
Dabei ist die Sehschärfe von dem abzubildenden Objekt (Kontrast, Farbe, Helligkeit) sowie von dessen Form abhängig. Denn sowohl die Netzhaut als auch das zentrale Nervensystem können bestimmte Formen, wie horizontale Gerade oder rechte Winkel besser auflösen, als andere Strukturen.
Entscheidend hängt jedoch die Sehschärfe vom Auflösungsvermögen des Augapfels sowie von der Abbildungsqualität der Netzhaut an. Diese wird stark durch die brechenden Medien des Auges, die Hornhaut, das Kammerwassser, die Linse sowie den Glaskörper bestimmt.
Eine quantitative Bestimmung der Sehschärfe kann mit Hilfe verschiedener Parameter erfolgen.
Die Sehschärfe stellt den Kehrwert des Auflösungsvermögens dar. Dabei beschreibt die Winkelsehschärfe das Auflösungsvermögen, bei dem zwei Punkte bei genauer Betrachtung noch voneinander unterschieden werden können. Eine Ortsauflösung von 1,5mm bei einem Betrachtungsabstand von 5 m entsprich einem Auflösungsvermögen von 1`.
Eine hohe Sehschärfe geht dabei mit einer kleinen Winkel-Sehschärfe einher. Der Visus ist ein dimensionsloses Maß zur Angabe der Sehschärfe. Dabei wird der individuell erreichte Wert der Winkelsehschärfe des Patienten ins Verhältnis zur Bezugsgröße 1`gesetzt. Ein großer Visus beschreibt somit eine hohe Sehschärfe. Ist es einem Patienten erst möglich zwei Punkte ab einem Winkelabstand von 4` separat voneinander wahrzunehmen, ergibt sich ein Visus von 0,25 (1`/4`). Neben der Angabe des Visus als Winkelmaß ist auch eine Bestimmung des Visus mit Hilfe von Entfernungswerten möglich.
Gesichtsfeld
Das Gesichtsfeld beschreibt die unter statischen Bedingungen, bei gerader Kopflage und geradeaus gerichtetem Blick wahrgenommenen zentralen und peripheren Punkte des Außenraumes, auch ohne sie dabei zu fixieren.
In der Augenheilkunde wird zwischen dem monokularen Gesichtsfeld des rechten sowie linken Auges und dem binokularen Gesichtsfeld, dem Gesichtsfeld beider Augen, unterschieden. Das binokulare Gesichtsfeld eines gesunden Erwachsenen umfasst in der vertikalen Ausrichtung ca. 70 ° nach oben sowie 60° nach unten. In der horizontalen Ausrichtung ist eine Abdeckung von bis zu 180° möglich. Bei Kindern und älteren Menschen finden sich kleinere Werte. Dabei nimmt die Wahrnehmung bewegter Objekte nach außen ab, sodass eine genaue Erkennung (Mustererkennung) nicht mehr möglich ist.
Eine Beurteilung einzelner Netzhautareale sowohl quantitativ als auch qualitativ, kann mit Hilfe der Gesichtsfeldmessung (Perimetrie) erfolgen.
Insbesondere in der Diagnostik neurologischer Erkrankungen wird dieser Untersuchung ein großer Stellenwert zuteil. Der Patient ist während einer perimetrischen Untersuchung von einer halbmondförmigen Struktur umgeben, mit dem Kopf fixiert und blickt auf einen festgelegten Punkt. Dabei werden computergesteuerte Lichtpunkte eingeblendet, deren Wahrnehmung der Patient äußern muss. Mit Hilfe des Konfrontationsgesichtsfeldes gelingt eine annäherungsweise qualitative Bestimmung des Gesichtsfeldes.
Räumliche Sehen
Das räumliche oder auch stereoskopische Sehen als höchste Form des beidäugigen Sehens, ist eng mit der Gehirnentwicklung höherer Säugetiere verbunden. Dabei müssen für eine räumliche Wahrnehmung von Objekten zwei Augen mit koordinierter Muskelsteuerung existieren.
Da die Augen in einer Ebene angeordnet sind, entsteht bei Fixierung desselben Objektes leicht differierende Bilder. Bis zu einer Distanz von ca. 40m ist es dem menschlichen Auge möglich aus der Differenz der Bilder eine Tiefenwahrnehmung zu erzeugen. Diese kann das Gehirn anhand der Winkeldifferenz in eine räumliche Staffelung umwandeln.
Das räumliche Sehen ist ein evolutionärer Vorteil und bedingt konsekutiv eine Weiterentwicklung des menschlichen Gehirns.
Ein entscheidender Nachteil dieser hoch entwickelten Fähigkeit ist jedoch das, gegenüber vielen anderen Spezies, verminderte Gesichtsfeld. So finden sich im Tierreich häufig seitlich angeordnete Augen, welche einen Rundumblick ermöglichen, auch zum Schutz vor Fressfeinden. Der Mensch ist jedoch nicht in der Lage Bereiche wahrzunehmen, welche hinter seiner eigenen Augenebene liegen.